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Meine Jahre als „Studentenvertreter“ in der GI

Die sehr emotionalen Blicke auf 20 Jahre Junge GI

Von Ludger Porada

 

Im letzten Jahr 2022 habe ich die Koordinierung des Beirats Junge GI abgegeben. Im kommenden Jahr winkt/droht der Ruhestand. So kann ich nun auf mehr als 20 Jahre als „Studentenvertreter“ zurückblicken.

Begonnen hat das alles im Jahr 2000, als ich in der Bonner Geschäftsstelle meine Arbeit als Referent für Mitgliederwerbung/Mitgliederbindung aufgenommen habe. Damals gab es einen Umbruch in der Geschäftsstelle mit einem neuen Geschäftsführer (Jörg Maas) sowie einer weiteren Referentin (Cornelia Winter) sowie auch im Bereich Finanzen (Elena Kerkmann) und der Mitgliederverwaltung. Insgesamt wurde dabei die Geschäftsstelle deutlich verjüngt. Gleichzeitig haben wir die personellen Veränderungen dazu genutzt, die strategische Arbeit unter den drei operativen Mitarbeitern zu reorganisieren. Für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der GI war (und ist bis heute) die Betreuung der zahlreichen Gliederungen der GI von zentraler Bedeutung. Da Cornelia Winter die Betreuung der Leitungsgremien sowie der Fachbereiche und -gruppen  übernahm, blieben die Regionalgruppen, die Vertrauensdozentinnen und Dozenten (das heutige Botschafter*innen-Netzwerk) bei mir. Schon damals hatte die Studierendenvertretung für die mehr als 2.500 Studierenden eine wichtige strategische Bedeutung. Erfreulicherweise hielt mich die Geschäftsführung mit meinen damals 42 Jahren für jung genug, auch die Betreuung des „Präsidiumsarbeitskreise für Studierende“ zu übernehmen.

Das habe ich bis ins letzte Jahr sehr genossen, auch wenn ich mich altersmäßig längst nicht mehr als „Studierendenvertreter“ geeignet betrachtet hatte. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, die Meetings der GI-Studierenden zu überstehen, war zumindestens in den Anfangsjahren die Trinkfestigkeit (die Club-Mate kam erst später auf den Kneipentisch). Ich erinnere mich gerne an fulminante Abendveranstaltungen in Studentenstädten, wo wir das studentische Nachtleben aus Insiderperspektiven kennenlernen konnten. Ganz besonders erinnere ich mich noch an Karlsruhe (endete früh am Morgen in einer Diskothek), Studentenkneipen in Regensburg, Göttingen, Bremen, Münster und Passau. Nicht zu vergessen auch das Bermuda Dreieck in Bochum, die Südvorstadt in Leipzig und besonders spannend auch die selbstverwaltete Studentenstadt in München (ein Meeting endete auf der dort berüchtigten Balkan-Party).

Aber es wurde nicht nur gefeiert, es konnten auch zahlreiche Erfolge erzielt werden. An erster Stelle die Umwidmung des damaligen Präsidiumsarbeitskreises für Studierende in den Beirat für Studierende. Damit hatten die Studierenden einen festen Sitz und beratende Stimme im Präsidium. Zusätzlich ist es uns häufig gelungen, Studierende als Wahlkandidat*innen ins Präsidium zu bekommen, um den Studierenden noch mehr Gewicht im Präsidium zu verleihen.

Nicht viel später erfolgte dann die Umbenennung des Beirats in Beirat für Studierende und Auszubildende. Hintergrund waren intensive (aber nicht nachhaltige) Bemühungen um die Integration von Fachinformatiker*innen in der dualen Erstausbildung. Tatsächlich gehörten eine zeitlang zwei IBM-Azubis zum Kreis der Beiratsleitung. Es gab dann auch ein Beiratsmeeting in Schweinfurt bei IBM (kommt man ja sonst auch nicht so oft hin). Inzwischen hat der Beirat eine neuerliche Umbenennung erfahren. Mit dem Beirat JUNGE GI soll es möglich sein, sowohl Schülerinnen und Schüler wie auch Berufsanfänger*innen und wissenschaftliche Mitarbeitende zu integrieren und zu aktivieren.

Apropos IBM: In Böblingen hatten wir auch ein tolles Meeting (2015). Unter Anleitung der IBM-Leute konnten wir mit Watson experimentieren, lange bevor der KI-Hype begonnen hat. Der Besuch des Computermuseums bei IBM war inklusive.

Weitere Erfolgsgeschichten des Beirats:

  • Die regelmäßige Organisation eines Studierendenprogramms im Rahmen unserer Jahrestagungen INFORMATIKxxxx mit attraktiven Workshops (häufig zum Thema Projektmanagement) und spannenden Vorträgen (z.B. Wild Dueck).
  • Die Integration der Hochschulgruppen in die Beiratsstruktur als wichtigen Teil der Beiratsarbeit.
  • Die Integration einer Handreichung zur Förderung studentischer Teilnahmen in das Tagungsmerkblatt der GI (Günstige Tagungsbeiträge, eigenes Studierendenprogramm mit Teilhabe, Nachwuchspaper, Postersession, etc. Und natürlich auch grundsätzlich Werbung unter Studierenden)
  • Die dauerhafte Integration der SKILL-Studierendenkonferenz Informatik als Teiltagung der INFORMATIK, wodurch die Finanzierung aus Mitteln der Tagung sichergestellt werden konnte.
  • Und zuletzt: Die Entwicklung von Online-Veranstaltungsreihen und weitere digitaler Angebote als Folge der Corona-Pandemie. Zu nennen die STEM-Girls sowie das Graduate Orientation-Programm.

Die Liste ist sicher unvollständig und subjektiv. Mitglieder (und Ehemalige) des Beirats mögen mich gerne darauf aufmerksam machen, wenn ich etwas vergessen habe.

Aber es gab nicht nur Erfolge, auch Misserfolge gehören dazu und sollen erwähnt werden, dies ebenso aus meiner subjektiven Perspektive:

  • Der für mich schmerzlichste, weil ich viel Arbeit investiert hatte: Der Pocketguide Informatik für Studienanfänger. Von Studierenden für Studierende wurde eine Handreichung erarbeitet, die die Anforderungen für die ersten Semester realistisch abbilden sollte. Weil gerade einmal wieder die Studienschwundrate in der Informatik wieder ins öffentliche Interesse gerückt war, erschien es für den Beirat eine gute Idee, im Studium keine falschen Erwartungen zu wecken, sondern die Anforderungen so gut wie möglich zu beschreiben. Dafür haben wir in der GI namhafte Autor*innen finden können, die ihr Arbeitsgebiet praxisnah präsentiert haben. Die Publikation war fertig, es gab auch schon einen Verlag. Am Ende hat der GI-Vorstand die Veröffentlichung der Publikation gestoppt. Der Vorstand war der Ansicht, dass der Pocketguide junge Leute eher vor einem Studium der Informatik abschrecken statt motivieren würde.
  • Die seit einiger Zeit beitragsfreien Beiträge für Studierende sind keine Idee des Beirats JUNGE GI. Im Gegenteil: Der Beirat setzte sich weiterhin für moderate Mitgliedsbeiträge ein, um damit auch eine größere Verbindlichkeit und Wertigkeit einer GI-Mitgliedschaft unter Studierenden zu unterstreichen. Mit dieser Position konnte sich der Beirat nicht in Vorstand und Präsidium durchsetzen.
  • Ein Merchandise-Shop mäandert seit vielen Jahren durch die Sitzungen der JUNGEN GI. Vorschläge für T-Shirts und weiterer Artikel liegen vor, aber die Installation des Shops geistert wie ein Wanderpokal an verschiedene Ansprechpersonen durch die GI-Geschäftsstellen.
  • Ein aus meiner Sicht tolles Projekt ist leider wegen zahlreicher Bedenken in den Hochschulen nie umgesetzt worden und Im Archiv des Beirats verschwunden: ECTS-Punkte für studentisches Engagement. Die Schwelle, sich über das Studium hinaus fachlich, politisch oder sozial zu engagieren, ist mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge spürbar zurück gegangen. Die Vergabe von ETCS-Punkten für studentisches Engagement sollte  hier neue Anreize schaffen.
  • Leider gab es eine Reihe von Niederlagen studentischer Kandidaturen für die Wahlen zum Präsidium. Danach wurden keine Kandidat*innen mehr vom Beirat aufgestellt. Das sollte sich zukünftig wieder ändern, auch wenn mit Wahlniederlagen gerechnet werden muss. Es geht auch darum, sich in der Mitgliedschaft zu zeigen und zu demonstrieren, dass man/frau gehört werden will.

At least: Im Laufe dieser vielen Jahre habe ich unglaublich viele, tolle, engagierte junge Leute kennen gelernt, so dass mit um die Zukunft der GI nicht bange sein muss. Der überwiegende Teil der Beiratsleitungen und regelmäßiger Mitglieder sind der GI auch weiterhin treu geblieben, haben zum Teil andere Positionen in Leitungsgremien eingenommen. So weit ich das überblicken kann, ist auch aus allen „etwas geworden“, sei es in der Wirtschaft oder in der Akademia. Auch Professoren sind darunter. Mit vielen bin ich über die Jahre in Kontakt geblieben.

Vieles an der GI wird mir im nächsten Jahr fehlen, darunter der Beirat im Besonderen.

Der Autor inmitten der Beiratsmitglieder auf der INFORMATIK 2017 in Chemnitz
Beiratsmitglieder auf der INFORMATIK 2019 in Kassel
Beiratssitzung auf der INFORMATIK 2016 in Klagenfurt